Würde eine Vermögensteuer in den USA funktionieren?

In den USA wächst der Druck für die Einführung einer Vermögensteuer, während die wirtschaftliche Ungleichheit historische Höhen erreicht. Progressive Gesetzgeber wie Senatorin Elizabeth Warren und Senator Bernie Sanders haben diesen Vorschlag ins Spiel gebracht. Eine Vermögensteuer würde sich direkt auf die Vermögenswerte der Superreichen konzentrieren, anstatt auf ihre Einkünfte. Befürworter sehen darin einen notwendigen Schritt zur Umverteilung einer zunehmend kapitallastigen Wirtschaft, während Kritiker vor wirtschaftlichen Risiken und verfassungsrechtlichen Herausforderungen warnen.
Aber wie könnte eine Vermögensteuer in den USA tatsächlich aussehen? Um diese Frage zu beantworten, werfen wir einen Blick auf die Definition, die Argumente dafür und dagegen sowie auf internationale Beispiele.
Was ist eine Vermögensteuer?
Eine Vermögensteuer ist eine jährliche Abgabe auf den Wert persönlicher Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien, Kunst, Yachten und andere Besitztümer. Der Vorschlag von Senatorin Warren von 2020 beinhaltete eine Steuer von 2% auf Vermögen über 50 Millionen Dollar und 3% auf Vermögen über 1 Milliarde Dollar. Sanders’ Plan war sogar noch höher und sah 8% für Milliardäre vor.
Gründe für eine Vermögensteuer:
1. Schließung der Ungleichheitsschere.
Der Reichtumsunterschied in Amerika hat sich gravierend vergrößert. Gemäß einem Bericht der Federal Reserve aus 2022 besitzen die reichsten 1% der Amerikaner nun mehr als ein Drittel des gesamten U.S.-Vermögens, während die untere Hälfte nur 2,6% besitzt. Senatorin Warren sagte dazu: „Die Reichen werden reicher, während die Mittelschicht ausgedünnt wird. Eine Vermögensteuer ist der Weg, dies zu beheben.“
2. Einnahmepotenzial.
Die Ökonomen Gabriel Zucman und Emmanuel Saez, die Warrens Vermögensteuer-Plan entwickelten, schätzen, dass dieser über 10 Jahre hinweg 2,75 Billionen Dollar einbringen könnte. Sie argumentieren, dass das Finanzamt mit strengeren Berichtspflichten und digitalen Prüfungsinstrumenten die Durchsetzung gewährleisten könnte.
Zucman bemerkte: „Die Ultra-Reichen zahlen einen niedrigeren effektiven Steuersatz als Lehrer und Feuerwehrleute. Eine Vermögensteuer ist eine Frage der Fairness.“
3. Internationale Erfolgsbeispiele.
In Norwegen wird Vermögen über 170.000 Dollar mit etwa 0,85% besteuert, und das Land hat dabei eine relativ hohe Gleichheit bei starkem wirtschaftlichen Wachstum aufrechterhalten.
In der Schweiz gibt es kantonale Vermögensteuern von 0,1% bis 1% ohne nennenswerte Hinweise auf Kapitalflucht.
Gründe gegen eine Vermögensteuer:
1. Administrative Komplexität.
Kritiker führen an, dass die genaue Bewertung und Erhebung einer Vermögensteuer äußerst schwierig sei. Die Bewertung von Vermögenswerten wie privat gehaltenen Unternehmen, Kunst oder geistigem Eigentum erfordere jedes Jahr enorme bürokratische Kapazitäten. Larry Summers, ehemaliger US-Finanzminister, sagte dazu: „Vermögensteuern sind ineffizient und schwer durchzusetzen. Sie bringen nicht viele Einnahmen und vertreiben Kapital.“
2. Beispiele für Misserfolg in Europa.
Frankreich hob seine Vermögensteuer 2017 auf, nachdem es im vergangenen Jahrzehnt etwa 60.000 Millionäre verloren hatte. Schweden gab seine Vermögensteuer 2007 auf, argumentierte mit geringen Einnahmen und hohen Verwaltungskosten. Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, stellte fest: „Wir haben es versucht. Es hat nicht funktioniert.“
3. Verfassungsrechtliche Fragen.
Einige Juraprofessoren meinen, eine bundesstaatliche Vermögensteuer könnte gegen Artikel I, Abschnitt 9 der Verfassung verstoßen, der direkte Steuern nur dann erlaubt, wenn sie nach Bevölkerung verteilt werden. Daniel Hemel, Professor für Recht an der University of Chicago, erklärte: „Eine Vermögensteuer, wie sie vorgeschlagen wird, würde sofort auf verfassungsrechtliche Herausforderungen stoßen und wahrscheinlich für ungültig erklärt werden.“
Die Unbalance zwischen Vermögen und Arbeit: Warum eine Vermögensteuer nicht nur die Reichen betrifft. Kritiker und Befürworter sind sich einig: Das derzeitige Steuersystem begünstigt überproportional Kapital gegenüber Arbeit.
Die Löhne werden über Einkommen- und Lohnsteuern besteuert, während Vermögen großenteils steuerfrei durch unrealisierte Kapitalgewinne wächst. 2021 zahlten 55 der größten US-Unternehmen trotz einer kombinierten Gewinnsumme von 40,5 Milliarden Dollar $0 an Bundeseinkommensteuern, laut dem Institute on Taxation and Economic Policy (ITEP). Milliardäre wie Jeff Bezos, Elon Musk und Warren Buffett zahlen niedrigere effektive Steuersätze als viele arbeitende Amerikaner, weil Kapitalgewinne nur bei Realisierung besteuert werden.
Warren Buffett sagte: „Ich zahle einen niedrigeren Steuersatz als meine Sekretärin. Das ist einfach falsch.“ Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger, brachte es auf den Punkt: „Einkommen zu besteuern, während Vermögen unbesteuert bleibt, ist wie Wasser mit einem Loch im Eimer herauszuschöpfen.“
Neuausbalancierung: Vermögen besteuern, nicht nur Arbeit. Es gibt einen wachsenden Konsens unter progressiven Ökonomen, dass das Steuergesetz seinen Fokus von Einkommen auf Vermögen verlagern sollte. Vorschläge beinhalten:
- Die Einführung einer Marktwertsteuer auf unrealisierte Gewinne von Milliardären, wie sie Senator Ron Wyden vorgeschlagen hat.
- Das Schließen von Schlupflöchern wie der „step-up basis“ beim Tod, die Erben erlaubt, Kapitalgewinne vollständig zu umgehen.
- Die Erweiterung der Durchsetzungsfähigkeiten des IRS, um wohlhabende Steuerumgehungsstrukturen zu verfolgen.
Senator Bernie Sanders stellte fest: „Das derzeitige System belohnt die, die Geld erben, mehr als die, die es verdienen. Das ist keine Kapitalismus – das ist Aristokratie.“
Fazit: Eine Vermögensteuer in den USA könnte erhebliche Einnahmen generieren und zur Schließung der wachsenden Ungleichheit beitragen – wenn sie durchdacht gestaltet und robust durchgesetzt wird. Doch sie stößt auf erhebliche rechtliche, administrative und politische Hürden.
Die Diskussion geht letztlich über Dollars und Cents hinaus. Es geht um Fairness, die Nachhaltigkeit der Demokratie und die Art von Wirtschaft, die wir aufbauen möchten. Ob durch eine direkte Vermögensteuer oder eine breitere Umstrukturierung der Besteuerung von Kapital – die Zeit könnte reif sein, dass Amerika endlich die lange aufgeschobene Frage beantwortet: Sollten die Reichen nicht nur für das, was sie verdienen, sondern auch für das, was sie besitzen, mehr bezahlen?