Indien und Pakistan: Erneute Spannungen in Kaschmir

Die Spannungen zwischen Indien und Pakistan haben erneut zugenommen, und das in einer Welt, die nach den verheerenden Konflikten in der Ukraine und Gaza keinen weiteren Krieg gebrauchen kann - insbesondere nicht zwischen zwei Atommächten. Nachdem ein tödlicher Angriff auf Touristen in der indischen Verwaltung von Kaschmir stattgefunden hat, hat Indien Luftangriffe in Pakistan und im von Pakistan verwalteten Kaschmir gestartet, die es als 'Operation Sindoor' bezeichnet.
Laut dem Verteidigungsministerium Indiens waren die Angriffe eine Reaktion auf den Anschlag vom 22. April in der beliebten Urlaubsregion Pahalgam, bei dem 25 indische Staatsbürger und ein nepalesischer Tourist getötet wurden. Indien erklärt, dass die Angriffe gezielt 'Terrorinfrastruktur' trafen, die für solche Attacken genutzt wird. Außerdem betont Neu-Delhi, dass die Angriffe 'maßvoll' waren und bewusst Militärstandorte in Pakistan nicht getroffen wurden.
Pakistan hingegen schildert die Ereignisse ganz anders: Die dortigen Behörden behaupten, die indischen Angriffe seien unprovoziert gewesen und hätten zivile Gebiete getroffen. Premierminister Shehbaz Sharif nannte es einen 'abscheulichen Akt der Aggression' und warnte, dass dies nicht unbeantwortet bleiben würde.
Die Situation eskalierte schnell: Pakistan behauptet, dass fünf indische Flugzeuge und eine Drohne abgeschossen wurden, während Indien auf diese Behauptungen nicht reagiert hat. Die pakistanische Militärführung spricht von 26 Toten und Dutzenden Verletzten durch die indischen Angriffe, während Indien wiederum von sieben zivilen Opfern infolge von Gegenschlägen pakistanischer Artillerie in der indischen Verwaltung von Kaschmir berichtet.
Indien gibt an, dass neun Standorte getroffen wurden, die als Orte beschrieben werden, wo Angriffe 'geplant und ausgeführt' wurden. Dazu gehören Gebiete sowohl im von Pakistan verwalteten Kaschmir als auch in Pakistan selbst. Pakistan gibt an, dass die betroffenen Orte Muzaffarabad und Kotli in Kaschmir sowie Bahawalpur in der Provinz Punjab sind. Indien behauptet, dies seien Terrorcamps, während Pakistan einwendet, dass es sich um zivile Zonen gehandelt habe und Indien eine Rechtfertigung für die Angriffe erfunden habe.
Der unmittelbare Anlass für die Angriffe war der Angriff in Pahalgam, der schlimmste zivile Massaker in Kaschmir seit 20 Jahren. Überlebende berichten, dass die Angreifer gezielt Hindus ins Visier nahmen – ein erschreckendes Detail, das Indien schockierte. Obwohl keine Gruppe die Verantwortung für den Angriff übernommen hat und Indien keinen Täter namentlich benannt hat, argumentiert die indische Polizei, dass zwei der Angreifer pakistanische Staatsbürger waren. Indien hat Pakistan lange Zeit beschuldigt, militante Gruppen zu unterstützen, die in Kaschmir operieren – eine Behauptung, die Pakistan stets zurückweist.
Premierminister Narendra Modi versprach eine schnelle Vergeltung und kündigte an, dass die Angreifer 'über ihre Vorstellung hinaus bestraft werden' würden. Diese Luftangriffe werden von Indien als Signal von Stärke und Abschreckung dargestellt. Doch wenn Stärke das Ziel ist, wo endet das?
Die Situation in Kaschmir ist seit der Teilung Britisch-Indiens 1947 von Blutvergießen geprägt. Indien und Pakistan haben zwei Kriege über die Region geführt und zahlreiche Gefechte erlebt. Beide Länder beanspruchen Kaschmir vollständig, kontrollieren jedoch verschiedene Teile davon. Vor Ort gibt es seit Jahrzehnten bewaffnete Aufstände, eine starke Militärpräsenz und regelmäßige Gewalt gegen Soldaten und Zivilisten.
Die Aufhebung von Artikel 370 durch Indien im Jahr 2019, die den semi-autonomen Status der Region beseitigte, war ein Wendepunkt. Während der Schritt internationale Kritik auf sich zog und Proteste auslöste, gab es auch einen starken Rückgang militärischer Aktivitäten und einen Aufschwung im Tourismus. Doch mit dem Angriff in Pahalgam kehren alte Geister zurück und die Gewalt droht jahrelange relative Ruhe zunichtezumachen.
Die Gefahr eines Krieges ist groß. Es ist nicht das erste Mal, dass Indien Angriffe über die Kontrolllinie (LoC) hinweg startet. Nach dem Uri-Angriff 2016 und dem Pulwama-Anschlag 2019, bei dem 40 indische paramilitärische Kräfte getötet wurden, führte Indien ebenfalls Angriffe tief in das pakistanische Balakot durch. Diese Vorfälle brachten beide Länder an den Rand eines Krieges, der jedoch knapp abgewendet werden konnte. Diesmal wirkt das Risiko größer. Beide Nationen zeigen militärische Stärke, die Grenzen sind angespannt, Diplomaten wurden ausgewiesen und Zivilisten sterben erneut.
Nicht zu vergessen – Indien und Pakistan sind Atommächte. Die Welt kann sich keinen weiteren Krieg leisten. Ukraine, Gaza, Sudan und Jemen sind bereits mit Gewalt überflutet. Das letzte, was der Planet braucht, ist ein weiterer verheerender Krieg zwischen Nationen mit Atomarsenalen und tief verwurzelten Feindseligkeiten.
Wo sind die Friedensstifter? Wo ist der Drang in diplomatischen Kreisen? Bisher war die internationale Reaktion bescheiden: UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat zu 'maximaler Zurückhaltung' aufgerufen, während andere globale Führer stumm blieben oder nur vage Friedensappelle äußerten. Das ist nicht genug.
Diplomatie, nicht Luftschlachten Zahlt suggerieren, dass Indien das Recht hat, seine Bürger zu verteidigen, und Pakistan das Recht hat, unbegründete Anschuldigungen zurückzuweisen. Beide müssen jedoch den katastrophalen Preis der Eskalation erkennen. Weltführer müssen mehr tun, als nur auf Frieden zu 'hoffen'. Sie müssen beide Nationen aktiv unter Druck setzen, um zu deeskalieren, den Pahalgam-Angriff über internationale Kanäle zu untersuchen und zum Dialog zurückzukehren.
Wir dürfen Luftangriffe nicht normalisieren. Wir dürfen Vergeltungsangriffe nicht normalisieren. Und wir können uns kein weiteres Schlachtfeld im globalen Konflikt leisten. Die Welt blutet. Diplomatie ist das einzige Pflaster, das uns bleibt.